PAPIER UND MEHR – 20 JAHRE WICHTENDAHL GALERIE
Papier als Pulp, handgeschöpft, Zeitungspapier, Japanpapier, Seidenpapier oder einfach Papier, weiß oder schwarz, ist ein eigenständiges und vielfach verwendetes Medium der zeitgenössischen Kunst. Es kann geformt, gewalzt, gefaltet, geschnitten oder gerissen sein, aber auch gefärbt, bedruckt oder bemalt, als Grundlage für Zeichnungen und Fotoabzüge dienen. Papier in seinen verschiedenen künstlerischen Verwendungsformen bildet von Beginn an einen Schwerpunkt des Galerieprogramms. Dies wird ergänzt durch ausgewählte Malerei- und Bildhauereipositionen.
Alexandra Deutsch, die seit 20 Jahren in der Galerie vertreten ist, schöpft ihr Papier aus Zellulosefasern. Es entstehen fragile Objekte von raumgreifender Plastizität. Formen und Farbigkeit entstammen organischen und anorganischen Welten, erinnern an exotische Pflanzen, Meerestiere, Fossilien oder Gesteinsformationen. Und doch sind sie abstrakt, sprechen eine eigene Formensprache.
Reinhard Wöllmers Objekte aus durchgefärbten Papierpulp zeichnen sich durch geometrische Exaktheit und reine Farben aus. Es sind kreisförmige Hohlkörper bestehend aus gewölbten Scheiben, die durch Kanten, Linien oder Löcher strukturiert sind. Reinhard Wöllmer trägt die Papiermasse auf einen Träger auf, walzt sie aus und treibt jede Scheibe solange bis sie sich wölbt. Dem gegenüber stehen seine “Farbraumreliefs” – Papierschnitte, durch deren Öffnungen wie durch Magie ein “Farbraum” erscheint.
Es sind die alltäglichen Momente und Bilder, die Annette Schröter – auch sie seit 20 Jahren in der Galerie vertreten – interessieren, für die sie in ihren Papierschnitten eine künstlerische Form findet. Das auf den ersten Blick Banale wird bei ihr bildwürdig, irritiert, wirkt manchmal komisch oder auch traurig. Annette Schröter lotet die vielfältigen Möglichkeiten des Papierschnitts aus, durchbricht die Dualität von schwarz und weiß durch die Verwendung von Sprühfarben und Tapeten.
Esther Glück schneidet hauchfein mit dem Skalpell: Natur- oder Raumdarstellungen wechseln mit Aktzeichnungen, geschnitten in weißes oder schwarzes Papier. Häufig haben ihre Arbeiten mehrere Ebenen, wechseln Positiv- und Negativformen, verbergen sich hinter silhouettenhaften Pflanzen menschliche Figuren als Negativschnitte. Es ist ein raffiniertes Spiel mit Linien und Flächen, mit Verbergen und Sichtbarwerden, mit der Präsenz und Absenz der menschlichen Figur.
In alten Vitrinen aus naturhistorischen Sammlungen fügt Katharina Meister ihre Assemblagen zusammen. Neben verschiedenartigen skulpturalen Elementen aus Holz, Metall oder Papier nehmen aus schwarzen Papier geschnittene Baum- und Pflanzen-Silhoutten einen zentralen Raum ein. Katharina Meister beschäftigt der Umgang der Menschen mit der Natur und die möglichen Folgen des Klimawandels. Sie geht der Frage nach welche Form ein zukünftiges Leben haben kann.
Dorthe Goeden untersucht in ihren Papierschnitten die Ambivalenz von Natur und Kultur, von Wildwuchs und Ordnung. Sie interessiert Alltägliches, Flüchtiges und Beiläufiges ebenso wie natürlich gewachsene und kulturell entwickelte Strukturen. Natürliche Unregelmäßigkeit verbindet sie mit anorganisch-regelmäßiger Ordnung, vertraute Formen mit fragmentarischen, uneindeutigen. Fragile Liniennetze zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit entstehen.
Terforation – eine Wortschöpfung aus den Worten Terra und Perforation – nennt Angela Glajcar die Kuben aus weißen Papieren. Ihre streng geometrische Form wird aufgebrochen durch gerissene Öffnungen oder Kanten. Durch die Staffelung der Papiere entstehen Hohlräume von einer enormen räumlichen Tiefe. Assoziationen an gezackte Grate und das Innere tiefer Höhlen, an Gletscher- oder Felsformationen werden wach.
Aja von Loeper benötigt ein weißes Blatt Papier, eine Pappe und ein von ihr entwickeltes Werkzeug aus Holz, um ihre reliefartigen „Weißen Blätter“ entstehen zu lassen. Mit viel Kraft und Feingefühl arbeitet sie auf dem Papier, bis es sich wölbt und seine Strukturen teilweise offen legt. Erhebungen entstehen, die wie Gebirgsmassive erscheinen. Sie wirken still und tief verschneit, zugleich kraftvoll und aufbrausend.
Silvia Schreibers Papierarbeiten bewegen sich zwischen Figuration und Abstraktion. Ihre Skulpturen aus Japanpapier erscheinen als fragile Hüllen, hauchdünn und federleicht. Es sind Torsi, die einer bewussten Reduktion unterliegen. Dem gegenüber stehen ihre rein abstrakten Collagen. Linien und Flächen aus farbigen Japanpapier, sehr reduziert eingesetzt, erzeugen eine ausgewogene Spannung und Bewegung auf der ruhigen weißen Fläche des Papiers.
Annette Meincke-Nagys überdimensionale Köpfe, ihre Büsten und Ganzfiguren berühren, lassen die Betrachtenden innehalten. Vollkommen in sich ruhend, scheinen sie sich in einer anderen Wirklichkeit zu befinden und zeigen doch eine starke Präsenz. Die Plastiken bestehen aus einem Papier-Quarz-Leim-Gemisch. Auf einem Drahtgerüst wachsen sie in einem langwierigen, meditativen Prozess Schicht für Schicht heran.
Die serielle Fertigung der aus Seidenpapier geformten Büsten von Dörthe Bäumer unterstreicht das Spannungsverhältnis von Ähnlichkeit und Differenz. Die filigranen Papierabformungen sind trotz der gemeinsamen Ausgangsform und formaler Ähnlichkeit sehr individuell, jede hat einen ganz eigenwilligen Charakter und Ausdruck. So entstehen innere Porträts, Seelenansichten und facettenreiche Akzentuierungen äußerer Ausdrucksformen.
Eva Walker setzt sich in ihren Zeichnungen und Radierungen mit dem Wissenstransfer durch Bilder auseinander. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie Wissen in Bildern durch Wiederholung festgesetzt und durch Überschreibungen oder Auslassungen revidiert, verändert und auch wieder verworfen wird. So spielen das Übereinanderlegen von Schichten, das Stehenlassen von Arbeitsspuren und die Verletzungen des Papiers in ihren Arbeiten eine zentrale Rolle.
Ausgangspunkt für die Arbeiten von Kristin Grothe sind Radierungen. Sie werden von ihr mit Schleifpapier oder einem Messer bearbeitet, einzelne Schichten abgeschält, das Innere des Papiers offen gelegt und Partien mit weißer Kreide oder Kohle akzentuiert. Ausgehend von realen Landschaften und Architekturen entfernt sie sich im Arbeitsprozess von diesen, die Werke erscheinen abstrakt, losgelöst, kraftvoll und zart zugleich.
Ulrike Heydenreich fasziniert die Sehnsucht nach unberührter Natur. Sinnbild dieser Sehnsucht sind schneebedeckte hochalpine Landschaften: schön und beeindruckend, kraftvoll und gefährdet zugleich. In ihren fotorealistischen Bleistiftzeichnungen komponiert sie Ausschnitte von Gebirgspanoramen zu fiktiven, idealen Landschaften. Deren räumliche Tiefenwirkung wird durch die Faltung des Papiers und seine Zusammenfügung in architektonisch präzis berechneten Perspektivkästen gesteigert.
Simone Distler erschafft in ihrer Malerei Bildräume von unendlich scheinender Weite und großer Kraft. In einer ausgreifenden, dynamischen Geste, durch Spritzen, Wischen und Lasieren trägt sie stark verdünnte Acrylfarbe auf Papier auf. Obwohl ihre Malerei abstrakt ist, erscheinen vor dem geistigen Auge Landschaften, massive Gebirgsketten oder weite Ebenen, aufgewühltes Wasser oder strahlende Himmelsformationen.
Aus dem Zusammenspiel von kompakten und transparenten Farbflächen, aus breiten und schmalen Pinselstrichen eröffnen sich in Esther Nauseds Tuschemalerei geheimnisvolle Bildräume von großer Tiefe. Es erscheinen Durchblicke und Spiegelungen, offene und geschlossene Räume, gleißendes Licht und dunkle Schatten. Mal wirken ihre Arbeiten reduziert und licht, mal durch Schattierungen, Überlagerungen und Durchdringungen sehr komplex.
Mit Raum, Zeit und Licht beschäftigt sich Nicole Ahland in ihren Fotografien. Sie zeigen Innenräume, meist menschenleer, dunkel oder von Licht durchdrungen. Mal lösen die Räume sich auf, werden zu abstrakten Farbflächen. Mal sind es stillebenartige, malerisch anmutende Interieurs. Und immer definiert das Licht die Räume, teilweise sind sie nur schemenhaft sichtbar, vieles verschwimmt und einiges bleibt im Dunkeln verborgen.
Licht ist Rosa M Hesslings Thema, Malerei ihr Medium. Sie bringt das Licht in ihren Gemälden zu seiner vollen Entfaltung, macht es in all seinen Facetten und Erscheinungsformen erfahrbar. Im Dialog mit dem Licht entwickeln ihre Arbeiten eine enorme Strahlkraft und Tiefe, entfalten eine ungeahnte Vielfalt an Farben und scheinen aus sich selbst heraus zu leuchten. Auf den ersten Blick monochrom verändert sich mit der Änderung des Lichts die Farbwahrnehmung.
Mats Bergquists Bilder bewegen sich in der Spannung zwischen Objekt und Malerei, zwischen Materialität und Immaterialität. Die Klarheit der Form, die Sichtbarkeit des Holzes als Trägermaterial sowie die monochrome Farbfläche vermitteln eine physische Präsenz, der ihre zarte, wolkige Farbigkeit gegenübersteht. Es sind Reflexionen über Leere und Fülle, Licht und Dunkelheit. In ihrer Konzentration laden sie ein inne zu halten, strahlen Ruhe und Stille aus.
Gerade Kanten, spannungsvolle Bögen, gewölbte und ebene Flächen kennzeichnen Winni Schaaks Körper aus gerosteten Cortenstahl. Seine Formen sind klar und ausgewogen. Durch Biegungen, Drehungen und Durchbrechungen erhalten sie jedoch eine enorme Komplexität, überraschen mit unerwarteten Ansichten. Die Körper irritieren, lassen sich nicht erklären. Winni Schaak spielt mit der Perspektive, lässt seine räumlichen Körper als Fläche erscheinen.
Paper as pulp, handmade, newsprint, Japanese paper, tissue paper or simply paper, white or black, is an independent and widely used medium in contemporary art. It can be shaped, rolled, folded, cut or torn, but can also be colored, printed or painted and serve as the basis for drawings and photographic prints. Paper in its various artistic uses has been a focal point of the gallery program from the very beginning. This is complemented by selected paintings and sculptures.
Alexandra Deutsch, who has been represented in the gallery for 20 years, creates her paper from cellulose fibers. The result is fragile objects of expansive plasticity. Shapes and colors originate from organic and inorganic worlds, reminiscent of exotic plants, sea creatures, fossils or rock formations. And yet they are abstract, speaking their own formal language.
Reinhard Wöllmer‘s objects made of dyed paper pulp are characterized by geometric precision and pure colors. They are circular hollow bodies consisting of curved discs that are structured by edges, lines or holes. Reinhard Wöllmer applies the paper pulp to a support, rolls it out and presses each disk until it curves. This is contrasted with his paper cuts through whose openings a “color space” appears as if by magic.
It is the everyday moments and images that interest Annette Schröter – who has also been represented in the gallery for 20 years – for which she finds an artistic form in her paper cut-outs. What at first glance appears banal becomes worthy of a picture, irritating, sometimes comical or even sad. Annette Schröter explores the diverse possibilities of paper cutting, breaking through the duality of black and white through the use of spray paint and wallpaper.
Esther Glück uses a scalpel to make delicate cuts: depictions of nature or space alternate with nude drawings, cut into white or black paper. Her works often have several layers, alternating between positive and negative forms, with human figures concealed behind silhouetted plants as negative cuts. It is a sophisticated play with lines and surfaces, with concealment and visibility, with the presence and absence of the human figure.
Katharina Meister puts together her assemblages in old display cases from natural history collections. In addition to various sculptural elements made of wood, metal or paper, tree and plant silhouettes cut from black paper occupy a central space. Katharina Meister is concerned with the way people treat nature and the possible consequences of climate change. She explores the question of what form a future life can take.
In her paper cut-outs, Dorthe Goeden examines the ambivalence of nature and culture, of wild growth and order. She is interested in the everyday, the fleeting and the incidental as well as naturally grown and culturally developed structures. She combines natural irregularity with inorganic, regular order, familiar forms with fragmentary, ambiguous ones. Fragile networks of lines between abstraction and representationalism emerge.
Terforation – a neologism made up of the words terra and perforation – is what Angela Glajcar calls the cubes of white paper. Their strictly geometric form is broken up by torn openings or edges. The staggering of the papers creates hollow spaces with an enormous spatial depth. Associations with jagged ridges and the interior of deep caves, glaciers or rock formations come to mind.
Aja von Loeper needs a white sheet of paper, a cardboard and a special wooden tool she designed to create her relief-like “white sheets”. With strength and sensitivity she is working on the paper until it bulges and its structure gets exposed. Elevations arise which appear like mountainous massifs with glaciers and rocks, quiet and covered with deep snow, powerful and effervescing at the same time.
Silvia Schreiber‘s paper works move between figuration and abstraction. Her sculptures made of Japanese paper appear as fragile shells, wafer-thin and light as a feather. They are torsos that are subject to deliberate reduction. This contrasts with her purely abstract collages. Lines and areas of colored Japanese paper, used in a very reduced manner, create a balanced tension and movement on the calm white surface of the paper.
Annette Meincke-Nagy’s oversized heads, her busts and full figures touch, make the viewer pause. They radiate something enchanted, dreamy, introverted and thus a quiet power. Resting completely within themselves, they seem to be in another reality and yet show a strong presence. The sculptures are made of a paper-quartz-glue mixture. On a wire frame, they grow layer by layer in a lengthy, meditative process.
The serial production of Dörthe Bäumer‘s busts made of tissue paper emphasizes the tension between similarity and difference. Despite the common initial form and formal similarity, the filigree paper impressions are very individual, each with its own unique character and expression. This results in inner portraits, views of the soul and multifaceted accentuations of external forms of expression.
In her drawings and etchings, Eva Walker explores the transfer of knowledge through images. She deals with the question of how knowledge is established in images through repetition and how it is revised, changed and also discarded again through overwriting or omissions. The superimposition of layers, the leaving of traces of work and the damage to the paper play a central role in her works.
The starting point for Kristin Grothe‘s works are etchings. She works on them with sandpaper or a knife, peeling off individual layers, revealing the inside of the paper and accentuating sections with white chalk or charcoal. Starting from real landscapes and architecture, she moves away from them in the working process, the works appear abstract, detached, powerful and delicate at the same time.
Ulrike Heydenreich is fascinated by the longing for untouched nature. Snow-covered high alpine landscapes symbolize this longing: beautiful and impressive, powerful and endangered at the same time. In her photorealistic pencil drawings, she composes sections of mountain panoramas into fictitious, ideal landscapes. Their spatial depth effect is enhanced by the folding of the paper and its arrangement in architecturally precisely calculated perspective boxes.
In her paintings, Simone Distler creates pictorial spaces of seemingly infinite expanse and great power. In a sweeping, dynamic gesture, she applies heavily thinned acrylic paint to paper by splashing, wiping and glazing. Although her painting is abstract, landscapes, massive mountain ranges or vast plains, churning water or radiant sky formations appear before the mind’s eye.
The interplay of compact and transparent areas of color, of broad and narrow brushstrokes, opens up mysterious pictorial spaces of great depth in Esther Naused‘s ink paintings. Views and reflections, open and closed spaces, glistening light and dark shadows appear. Sometimes her works appear reduced and light, sometimes very complex through shading, overlapping and penetration.
Nicole Ahland deals with space, time and light in her photographs. They show interiors, mostly devoid of people, dark or permeated by light. Sometimes the rooms dissolve, becoming abstract color surfaces. Sometimes they are still life-like, seemingly painterly interiors. And the light always defines the rooms, sometimes they are only dimly visible, much is blurred and some remains hidden in the dark.
Light is Rosa M Hessling‘s theme, painting her medium. She brings light to its full potential in her paintings, making it tangible in all its facets and manifestations. In dialogue with the light, her works develop an enormous radiance and depth, unfolding an unimagined variety of colors and seeming to glow from within. At first glance monochrome, the perception of color changes as the light changes.
Mats Bergquist‘s paintings move in the tension between object and painting, between materiality and immateriality. The clarity of the form, the visibility of the wood as a support material and the monochrome color surface convey a physical presence that contrasts with their delicate, cloudy colorfulness. They are reflections on emptiness and fullness, light and darkness. In their concentration, they invite you to pause, radiating calm and stillness.
Straight edges, exciting arches, curved and flat surfaces characterize Winni Schaak‘s body made of rusted Corten steel. His forms are clear and balanced. Through bends, twists and openings, however, they take on an enormous complexity and surprise with unexpected views. The bodies are irritating and defy explanation. Winni Schaak plays with perspective, making his spatial bodies appear as surfaces.